Musik und Klima

Projekt: 200 Jahre Klimawandel

Das nachfolgend beschriebene Konzept kann als experimentelles Musikstück, Musik- oder Tanztheater an weiterführenden Schulen realisiert werden – am besten in fächerübergreifender Zusammenarbeit. Ein idealer Rahmen wäre beispielsweise eine schulische Projektwoche oder auch ein Halbjahresprojekt in Form einer fächerübergreifenden Kooperation von naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Fächern mit Musik oder Theater.

Das Konzept ist nicht auf eine bestimmte Besetzung festgelegt, sondern kann mit Theater-AGs, mit Schulbands und musikalischen Ensembles in verschiedenen Besetzungen oder auch mit der bunt gemischten „Zufallsbesetzung“ einer Schulklasse realisiert werden.

Die Projektidee

Blick in die Vergangenheit
In den letzten 150 Jahren hat sich das globale Klima verändert – erst sehr langsam, dann immer schneller. Wälder und Sümpfe verschwinden, die Belastung der Meere und der Atmosphäre nimmt zu. Obwohl diese Veränderungen sehr einschneidend sind, verlaufen sie zu langsam, um sie mit unseren menschlichen Sinnen wahrnehmen zu können. Die Erderwärmung und das Artensterben lassen sich berechnen, verstehen und erklären, aber es fällt schwer, sie über längere Zeiträume hinweg zu “fühlen” und als Gefahr wahrzunehmen.

Seit den frühen 2000er Jahre haben Klangkünstler:innen, Komponist:innen und Wissenschaftler:innen eine neue musikalische Gattung entwickelt, die dabei helfen kann, abstrakte Klimadaten zu veranschaulichen. Die Sonifikation übersetzt abstrakte Daten in Klang und macht langfristige Veränderungsprozesse hörbar. Die nachfolgenden Übungsanleitungen, Noten und Materialien bieten zahlreiche Anregungen, um diesen Ansatz auf spielerische Weise in die Praxis schulischer Projektarbeit zu übertragen und eine ebenso intensive wie kreative Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Blick in die Zukunft
Die kommenden fünfzig Jahre – und damit der größte Teil der Lebensspanne heutiger Schüler:innen – werden entscheidend für die Zukunft der Menschheit sein. Um auch weiterhin gut auf diesem Planeten leben zu können, müssen wir Menschen alles dafür tun, die Erderwärmung und das Artensterben zu verlangsamen.

Die Klimadaten der Zukunft lassen sich – anders als die der Vergangenheit – nicht exakt berechnen: Zu vieles ist ungewiss. Dennoch lässt sich Zukunft gedanklich vorwegnehmen und gestalten. Wir Menschen können uns Hoffnungs- und Untergangsszenarien ausmalen, Ziele setzen und Pläne schmieden.

Auch hierzu laden die nachfolgenden Materialien ein: Welche Entwicklung könnten die nächsten fünfzig Jahre nehmen? Welche Zukunft erträumen wir uns, welche befürchten wir und welche müssen wir unbedingt verhindern?

MATERIALIEN FÜR DIE UMSETZUNG

Das Projekt “200 Jahre Klimawandel” ist nicht ergebnis-, sondern prozessorientiert angelegt. Die nachfolgenden Anleitungen beschreiben deshalb kein fertiges Stück, sondern einen schöpferischen Gruppenprozess. Anstelle einer Partitur oder eines fertigen Textbuches werden die einzelnen Stationen dieses kollektiven Forschungs- und Entwicklungsprozesses skizziert. Im Zentrum steht die forschende, schöpferische und gestaltende Auseinandersetzung.

1) Platz für alle

1.1) Improvisationsübung: Platz für alle
Im Verlauf dieser Improvisationsübung findet eine erste Begegnung mit der späteren Rahmenkomposition statt. Die Improvisation kann mit einer beliebigen Besetzung von Instrumenten und anderen Klangerzeugern realisiert werden. Alternativ dazu ist auch eine rein szenische oder choreographische Fassung denkbar. Ausgehend von der Idee eines “intakten Biotops”, in dem alle ihren Platz finden, lernen die Akteur*innen, ihr eigenes musikalisches Potential zu nutzen, aufeinander abzustimmen und zu einem ausbalancierten Ganzen zusammenzufügen. Je nach Vorerfahrung sollte man mindestens ein bis zwei Schulstunden einplanen.

Arbeitsmaterial:
>>Improvisationsanleitung

Für die Umsetzung wird ein Klavier oder ein anderes Akkordinstrument benötigt. Ansonsten sind keine Notenkenntnisse erforderlich. Wer aber Noten lesen kann und lieber welche vor sich hat, kann sich an dieser Fassung orientieren:

Arbeitsmaterial:
>>Noten

1.2) Inhaltliche Vertiefung
Zur Vertiefung des musikalischen Einstiegs können die Akteur*innen ihr bereits vorhandenes Wissen darüber zusammentragen, wodurch sich ein intaktes Ökosystem auszeichnet . Falls sie dieses Thema nicht ohnehin schon hinreichend im Biologieunterricht behandelt haben, kann ergänzend ein Film geschaut werden.

Einige Tipps:
„Unsere Ozeane“ von Jacques Perrin (2009) >> Bezugsquelle
„Magie der Moore“ von Jan Haft (2015) >> Bezugsquelle
„Die Wiese“ von Jan Haft (2019) >> Bezugsquelle
Weitere Filmtipps auf filmsfortheearth.org

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2) Die Große Beschleunigung und ihre Folgen

2.1) Einführung

Zu Beginn werden einige Materialien vorgestellt und diskutiert, die auf besonders anschauliche Weise die „Große Beschleunigung“ („Great Acceleration“) illustrieren, indem sie die globalen Auswirkungen menschlichen Handelns verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit diesen Materialien kann entweder im Plenum oder in Kleingruppen stattfinden. Es empfiehlt sich, sie in einem fächerübergreifenden Kontext anzusiedeln, weil sie unterschiedliche Schulfächer berührt (Biologie, Physik, Chemie, Sozialkunde sowie – weil ein Teil der Texte nicht auf deutsch vorliegt – Englisch).

Arbeitsmaterial:
>> Material- und Arbeitsblatt

2.2) Improvisation: Veränderungsprozesse
Die gemeinsame Auseinandersetzung mit der “Großen Beschleunigung” hat gezeigt, wie stark sich unser Planet und unsere menschliche Zivilisation verändert.
Das Ziel dieser Improvisationsübungen besteht darin, solche Veränderungsprozesse mit musikalischen oder szenischen Mitteln zu veranschaulichen. Zusätzlich dienen diese Übungen dazu, die Akteur*innen an die eigenständige kreative Arbeit in Kleingruppen heranzuführen.
>> Improvisationsanleitung

2.3) Auswahl der Themen
Nachdem die Akteur:innen in die Projektidee und in das Modell der „Großen Beschleunigung“ eingeführt wurden, können sie nun gemeinsam überlegen, auf welche Veränderungsprozesse sich ihr eigenes Stück beziehen soll. Dabei sind unterschiedliche Ansätze und Perspektiven denkbar.

>>Anregungen zur Themenwahl
>>Linkliste

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3) 150 Jahre Vergangenheit

Die bisherige Recherche hat gezeigt, wie bedrohlich die Klimakrise ist. In der Realität schreiten diese Veränderungen nur sehr langsam voran – zu langsam, um sie wahrnehmen zu können.
In der abschließenden Komposition sollen diese Veränderungen deshalb auf wenige Sekunden verdichtet werden. Ziel ist es, die Veränderungen der letzten 140-150 Jahre in 140-150 Sekunden darzustellen: Eine Art musikalischer Zeitraffer.

Die AG Neue Musik Grünstadt hat 2019 eine exemplarische Version erstellt und sich dabei für eine Mischung aus musikalischen und theatralischen Umsetzungsformen entschieden:

Aber es sind auch ganz andere Varianten denkbar. Die folgenden Anleitungen beschreiben, wie ein solcher Erarbeitungsprozess verlaufen kann.

3.1) Einführung in die Rahmenkomposition
Die Akteur:innen werden in die musikalische Grundidee für den Rückblick auf die zurückliegenden 140-150 Jahre eingeführt. Anschließend kann gemeinsam entschieden werden, auf welche Präsentationsform hingearbeitet werden soll.

Arbeitsmaterial:
>> Einführung in die Komposition
>> Noten

3.2) Vertiefende Recherche in Kleingruppen
Herkömmliche Sonifikationsprojekte haben meist einen streng wissenschaftlichen Anspruch: Datenreihen werden in Klang übersetzt. Ähnlich wie die einzelnen Punkte eines Kurvendiagramms steht jeder Ton oder jeder Klang für einen exakten Messwert.
Beim hier vorgestellten Konzept ist der wissenschaftliche Zugang nur einer von mehreren. Auch subjektive, intuitive und emotionale Zugänge sind erlaubt und erwünscht und können zum Ausgangspunkt der Weiterarbeit werden. Entscheidend ist, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden hat.

Im nächsten Arbeitsschritt wird das Motiv der “Großen Beschleunigung” wieder aufgegriffen. Zu jedem der zuvor ausgewählten Themen (2.3) bildet sich eine themenbezogene Recherche-Kleingruppe, die weitere Hintergründe dazu recherchiert. Die Arbeitsgruppen erhalten für ihre selbständige Recherche ein Arbeitsblatt mit unterschiedlichen Fragestellungen:

Arbeitsmaterial:
>> Arbeitsblatt für die Recherche

3.3) Ideensammlung und -sortierung
Die Akteur:innen haben sich in den vorangegangenen Schritten mit den klimatischen und ökologischen Veränderungsprozessen und einigen ihrer Ursachen beschäftigt. Außerdem haben sie sich im Rahmen verschiedener Improvisationsübungen ein kleines Repertoire an musikalischen und theatralischen Gestaltungsmöglichkeiten erarbeitet. Nun geht es darum, beides zusammenzubringen und die recherchierten Daten mit musikalischen, tänzerischen oder theatralischen Mitteln zu veranschaulichen. : Wie stellt man einen Meeresspiegel dar? Wie klingt CO2? Wie bringt man den wachsenden Verbrauch von Erdöl auf die Bühne?

Arbeitsmaterial:
>> Anregungen für die Moderation der Ideensammlung

3.4) Erste Versuche und Skizzen
Sobald eine erste Auswahl und Sortierung von Ideen vorliegt, kann versucht werden, diese Ideen mit dem Begleitrhythmus der Rahmenkomposition zu verknüpfen. Das Ziel dieses ersten Versuchs ist noch kein fertiges Stück, sondern eine erste Skizze.

Arbeitsmaterial:
>> Anregungen für die ersten Skizzen

3.5) Zeitreihen erstellen
Um von den ersten Skizzen zu einem wiederholbaren Stück zu gelangen braucht es nun einen Zwischenschritt: Eine „Fleißarbeit“, die wichtig ist, um die bisher gesammelten Ideen und Recherche-Ergebnisse mit dem vorgegebenen zeitlichen Rahmen zu synchronisieren.

Arbeitsmaterial:
>> Anregungen für die ersten Skizzen

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4) 50 Jahre Zukunft

4.1) Welche Zukunft?
Zunächst muss eine grundlegende Entscheidung getroffen werden: Wie soll das Stück weitergehen, nachdem es in der Gegenwart angekommen ist – hoffnungsvoll, utopisch, warnend oder düster?

Arbeitsmaterial:
>> Anregungen für die Zukunfts-Ideensammlung

4.2) Save our Dreams
Falls sich die Akteur:innen für ein hoffnungsvolles Ende und eine eher optimistische Zukunftsprognose entschieden haben, finden sie hier einige Anregungen für die Weiterarbeit.

Arbeitsmaterial:
>> Galerie der Zukunftsträume
>> Parlament der bedrohten Zukunftsträume

4.3) Böses Ende
Falls sich die Akteur:innen für ein aufrüttelndes Ende und eine eher pessimistische Zukunftsprognose entschieden haben, finden sie hier einige Anregungen für die Weiterarbeit.

Arbeitsmaterial:
>> Krasse Steigerungen
>> Requiem

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